Es war im März 2021, als wir den kleinen Dean aus dem Public Shelter zu uns ins Little Soule Home holen konnten. Da war er erst ein paar Monate jung und gerne hätten wir ihm diese erste Station im Leben erspart. Aber nun gut, jetzt bekam er zumindest die Chance auf eine Reise, die sein Leben verändern sollte. Trotz seines jungen Alters war er schüchtern und zurückhaltend. Während viele Welpen und Junghunde, obwohl sie das PS oder ein Leben auf der Straße hinter sich haben, neugierig sind, gehörte Dean zu den wenigen, die bereits jetzt der Meinung waren, dass Vorsicht besser als Nachsicht sei. Daher wurde es Zeit, dass er schnell Menschen findet, die ihn bei sich aufnehmen und ihn vom Gegenteil überzeugen. Und er sollte Glück haben, denn schon nach drei Monaten war es soweit, er durfte in den Trapo hüpfen und los ging die Reise.
So wundervoll das für uns klingt, so gestresst war der kleine Kerl in seiner Box. Bereits während der Fahrt bekam seine Pflegestelle mit Option die Nachricht, dass Dean sein Sicherheitsgeschirr durchgebissen hat. In Karlsruhe angekommen, bekam er stattdessen ein Blinke-Halsband um, was denkbar ungünstig war und musste regelrecht aus seiner Box gezerrt werden.
Da saß er nun, bei seinem Zweibeiner mit Option, im Auto. Stinkend, panisch und kleiner als erwartet. Alles egal, erstmal nach Hause, damit er zur Ruhe kommen konnte.
Dort wurde er mit Hilfe ausgeladen und ins Wohnzimmer gebracht. Ein neuer Lebensabschnitt sollte nun beginnen und das mit einem neuen Namen. So sollte er von nun an Locksley heißen. Doch das war ihm relativ egal, mit Schnappen hat er direkt deutlich gemacht, dass er mit den Menschen nichts zu tun haben wollte. Somit war klar: Er braucht Zeit, baden sitzt nicht drin.
Er bekam sein Quartier im ehemaligen Esszimmer, wo er ein großes Häuschen bekam und ein Gitter zum Wohnzimmer, sodass er immer dabei, aber doch in Sicherheit war. An ein Annähern war nicht zu denken, da er schon bei einem Blick in seine Richtung bedrohlich knurrte.
So blieb es die nächsten Monate und die Verzweiflung war groß, zumal man sehen konnte, dass er humpelte. Doch an ein Vorstellen beim Tierarzt war erst recht nicht zu denken. Weder Geschirr anziehen, raus gehen, Kontaktaufnahme, nichts ging vorwärts!
Im Herbst aber tat sich dann doch etwas, er hatte sich Hündin Lisanne angeschlossen. Sie ging ihm mit gutem Beispiel voran und er orientierte sich sehr an ihr. Mit Zweibeinern mochte Locksley nach wie vor nichts zu tun haben, doch immerhin kam er etwas aus seinem Schneckenhaus. Sogar, wenn Frauchen im Wohnzimmer war, fühlte er sich mehr und mehr sicher, zumindest mit etwas Abstand und machte ansonsten alles, was Lisanne auch machte.
Es wurde Zeit für einen weiteren Schritt und so wurde kurzerhand die Terrasse eingezäunt, damit er zumindest ein paar Meter nach draußen an die frische Luft konnte, um sich auch dort zu erleichtern, da das Haus mittlerweile vom Geruch her eher einem Zoo gleich. Und siehe da – es klappte. Mit seinem großen Vorbild voran traute er sich nach draußen und kam auch wieder mit ihr herein, wenn sie gerufen wurden.
Die weitere Skepsis vor Zweibeinern war das Eine, aber was noch viel wichtiger war, war sein Humpeln, was wirklich dringend untersucht werden sollte. Also wurde mit Absprache des Tierarztes versucht, Locksley zu sedieren, um ihn zum Tierarzt bringen zu können. Doch da sein Nervensystem so hochgefahren war, wirkte das Mittel nicht und nach einem zweiten Versuch konnte auch die Dosis nicht mehr erhöht werden. Auch dem Tierarzt wurde es zu heikel.
Durch Recherche wurde Claudia jedoch auf einen Vet aufmerksam, der mit einem Blasrohr arbeitete und nahm Kontakt auf. Und siehe da – es gelang! Noch bevor sie ihn ins Auto brachte, wurde sein Blinke-Halsband, welches er noch immer trug, ausgezogen, gegen ein Sicherheitsgeschirr getauscht und los ging es.
Nach einer Röntgenaufnahme war der Befund klar: Ein gebrochenes Schultergelenk mit Gelenkbeteiligung, schief zusammen gewachsen und inoperabel. Ohje, was muss er in diesem einen Lebensjahr, welches er bisher auf Erden verbracht hatte, schon erlebt haben? Jedenfalls könnte man sagen, er hatte keine Kindheit, sondern die Hölle auf Erden.
Wieder Zuhause angekommen, gerade so, bevor er wach wurde, legte Claudia ihn dann aufs Sofa und legte sich daneben, sodass er mit Kontakt, den er freiwillig nie gesucht hätte, aufgewacht ist. Da merkte er, dass ihm wirklich nichts schlimmes mehr passieren wird und ließ sich anfassen! Das war im November 2021, etwa 5 Monate nach seiner Ausreise. Nun ging es langsam, aber sicher voran. Im Januar 2022 war er das erste Mal an der Leine draußen. Ein Horror für ihn, aber nur dieses Mal. Danach fing er direkt an, die Vorzüge, endlich wieder draußen zu sein, zu genießen und hat alles gemacht, was Lisanne auch gemacht hat. Im März folgte nicht nur das erste Autofahren, auch wurde jetzt entschieden, dass er für immer bleiben durfte! Seit April ist er regelmäßig beim Hundeturnen, wo er nicht nur etwas für seine Muskeln tun kann, sondern auch mutig lernt, mit anderen Hunden zu spielen.
Seit November dann der schönste Schritt – er holt seine verpasste Kindheit nach! Bis heute ist Locksley kein Stück erwachsen geworden und ist eher ein großer Welpe. Sehr anhänglich, auch seinem Frauchen gegenüber, hört aufs Wort und freut sich über Besuch. Sensibel ist er natürlich dennoch. So ist fester Kontakt mit der Leine und das Gehen durch Türen noch immer gruselig und Druck aller Art bzw. Streit geht er grundsätzlich aus dem Weg. Aber gerade letzteres ist ja nicht unbedingt die schlechteste Eigenschaft. Außer, als Lisanne, so wie er schon zuvor, einen „Donut“ als Hundebett bekommen sollte. Nicht nur das, auch noch ein Größeres! Da wurde alles dran gesetzt, diesen Donut zu erobern, sodass Lisanne sich kurzzeitig in seinen Kleinen quetschen musste, während er es sich zufrieden und so breit wie möglich in ihrem gemütlich machte.
Vom dauerhaft knurrenden Angsthasen zum absolut glücklichen Hund, der nichts lieber macht, als zu kuscheln und alle um den Finger zu wickeln. Wer hätte das gedacht?
Seit zwei Monaten geht er sogar schon mal kurze Wege ohne Leine, wird immer mutiger und hört bei jedem Rückruf aufs Wort. Er ist einfach angekommen und genießt das Leben mit seinen Hunde- und Hühnerkumpels, was gerade ihm wahrscheinlich vorkommen muss, als würde er träumen.
Bei so vielen Hürden durchzuhalten, die eigenen Erwartungen zurücknehmen und nicht aufzugeben, das ist einfach beispielhaft. Bei dem tollen Ergebnis kann man jedenfalls sagen, all die Mühen, die Verzweiflung und die Ungewissheit haben sich dennoch gelohnt. Das würde auch Locksley sagen, denn für ihn hat sich der Rest seines Lebens geändert. Wir können gar nicht genug „Danke“ sagen und hoffen, dass seine Geschichte einige ermutigt, nicht so schnell aufzugeben! Ein Happy End, wie es im Buche steht und mal wieder sagen die Bilder mehr, als tausend Worte.